Schwerpunkt Halsschlagader
In Deutschland erleiden jährlich rund 200.0000 Menschen einen Schlaganfall. Davon sind etwa 30.000 durch symptomatische Verengungen (Stenosen) der hirnversorgenden Halsschlagader (A. carotis interna) verursacht. Diese Stenosen bilden sich meist an der Aufzweigung der Halsstammschlagader in die Gesichts- und Hirnschlagader aus. Typische Ursache für solche gefährlichen Gefäßverengungen ist eine Arterienverkalkung (Arteriosklerose).
Einem Schlaganfall gehen oft Warnsignale voraus: vorübergehende Gefühlsstörungen, Schwäche in einem Arm und/oder Bein, Gesichtsnervenausfälle, Sprachstörungen, kurzzeitige Sehstörungen auf einem Auge. In der Fachsprache werden diese vorübergehenden Ausfälle „Transitorisch Ischämische Attacken“ (TIA) oder „Amaurosis fugax“ genannt. Einige Patienten erleiden Schlaganfälle, bei denen neurologische Ausfälle länger bestehen, jedoch keine Halbseitenlähmung daraus resultiert.
Nur wenige Erkrankungen sind wissenschaftlich durch Studien so gründlich untersucht wie die möglichen Auswirkungen einer Erkrankung der A. carotis interna (NASCET, EVA-3S, ACAS, ECST, SPACE). Diese Untersuchungen konnten nachweisen, dass die Operation der hirnversorgenden Halsschlagader bei einer symptomatischen Einengung ab einem Wert von 50 Prozent und einer asymptomatischen Einengung ab 70 Prozent ausgesprochen wirksam ist, um einen Schlaganfall zu verhindern.
Behandlungsmethoden
Die erforderliche Therapieentscheidung wird patientenbezogen im Behandlungsteam getroffen. Im Zentrum für Gefäßmedizin am Ev. Diakonissenkrankenhaus Leipzig werden sowohl offene Operationen als auch die interventionelle Stent-Implantation/PTA durchgeführt.
Operative Methode:
Verengungen der Halsschlagader werden chirurgisch durch offene Ausschälung (Endarteriektomie) behandelt. Dazu wird die Aufzweigung der A. carotis operativ freigelegt, die Arterie eröffnet und die Engstelle zusammen mit den erkrankten Gefäßwandanteilen filigran entfernt, so dass eine völlig glatte Arterienwand zurückbleibt. Die Kontrolle des ausreichenden Blutzustroms in das Gehirn während dieser operativen Klemmphase wird in unserer gefäßchirurgischen Klinik routinemäßig durch Messung der Hirnströme und von elektrisch ableitbaren Potentialen mit den modernsten Geräten und explizit geschultem ärztlichen Personal kontrolliert (EEG, SSEP, BSR).
Das so genannte Neuromonitoring während des Eingriffs hat sich bewährt, um das Risiko für das Auftreten eines perioperativen Schlaganfalls zu minimieren. Es stellt die derzeit sicherste Variante der intraoperativen neurologischen Kontrolle dar. Damit konnte die perioperative Schlaganfall-Wahrscheinlichkeit auf unter ein Prozent gesenkt werden.
Zeigen sich Beeinträchtigungen der Hirnfunktion während der Operation, kann der Blutfluss zum Gehirn durch ein so genanntes Shunt-Röhrchen (temporärer Bypass) gesichert werden. Noch vor Wundverschluss kontrollieren wir das Rekonstruktionsergebnis mit einer intraoperativen Gefäßdarstellung (Angiografie).
Nach anatomischer Gegebenheit operieren wir mittels Eversionsendarteriektomie (EEA) oder Thrombendarteriektomie (TEA). Der Vorteil einer EEA besteht darin, dass bei der Rekonstruktion auf Fremdmaterial verzichtet werden kann. Bei der TEA wird das Gefäß längs eröffnet, das Plaque-Material entfernt und das Gefäß in der Regel mit einem Patch aus Kunststoff oder körpereigener Vene wieder verschlossen.
Vor der Operation wird jeder Patient von einem Neurologen untersucht. Somit werden die Behandlungsergebnisse einer unabhängigen Prüfung unterzogen, zusätzlich zur gesetzlich vorgeschriebenen externen Qualitätskontrolle durch die Bundesstelle für Qualitätssicherung (BQS), die die Indikationsstellung, OP-Technik und Ergebnisse erfasst. Die offene Karotis-Operation hat sich als sehr sicheres Therapieverfahren erwiesen und ist weltweit fest etabliert.
Interventionelle Therapie (PTA, Stent):
Auch an der Halsschlagader haben in den letzten Jahren zunehmend Katheter-Techniken und Stent-Implantationen Verbreitung gefunden. Große internationale Studien konnten bisher jedoch nicht zeigen, dass die interventionellen Techniken in allen Fällen vergleichbar gute Ergebnisse wie die oben dargestellten Operationsverfahren erzielen, insbesondere nicht mit Blick auf den Langzeitverlauf.
In unserer Klinik empfehlen wir die PTA und Stentimplantation bei Einengungen der A. carotis interna daher bei den Patienten, die Begleiterkrankungen mit einem deutlich erhöhten Operationsrisiko aufweisen oder im vermeintlichen OP-Gebiet bereits voroperiert oder bestrahlt worden sind.
Welches Therapieverfahren für den jeweiligen Patienten geeignet ist, sprechen wir individuell mit den Spezialisten der Fachgebiete Angiologie und Neuroradiologie in unserem interdisziplinären Gefäßboard ab.